Offener Brief aus der queeren Community an den HAKI e.V.

[Hinweis: dies ist ein weitergeleiteter offener Brief, der nicht vollständig oder ausschließlich von Menschen aus der feministischen Antifa Kiel verfasst wurde.]
Liebe Lesende, Liebe Mitarbeitende.
Wir wenden uns an euch, um unsere ausdrückliche Kritik an der Veranstaltung „Blaulicht unter dem Regenbogen“ zu äußern.
Queere und trans* Menschen haben schon immer unter der Polizei und deren Gewalt gelitten. In Deutschland wurden sie gerade unter den Nationalsolialist*innen verfolgt, gefoltert und ermordet. Die Strukturen der Polizei wurden nach der Niederlage Deutschlands übernommen, sogar führende Männer aus SS und SA wurden in hohen Positionen der Polizei behalten.
Die nicht vorhandene Umstrukturierung der Polizei ist heute noch spürbar. Es sind keine Einzelfälle, die sich ereignen. Die Polizei ist durchsetzt von rechtsradikalen, rassistischen, queer- und transfeindlichen, misogynen, ableistischen Beamt*innen, deren Ziel noch immer nicht das Wohl der LGBTQIA+ Community ist. 
Die Tatsache, dass es für Verbrechen gegen unsere Community überhaupt eine extra Einheit geben muss, schreit bereits danach, dass die Polizei nicht sicher ist.
In ganz Europa ist rechte Politik auf dem Vormarsch. Und auch mit Blick auf die USA und die dortige Kriminalisierung von trans*  Menschen wird klar, wie wenig wir uns selbst in angeblich fortschrittlichen Ländern wirklich auf unsere Rechte verlassen können. Viele Menschen sind verunsichert, ob wir uns hier wohl auch bald wieder „offizieller“ Strafverfolgung gegenüber finden. In diesen Zeiten die Polizei einzuladen, die Beziehungen in die rechte Szene pflegt, ist mehr als beunruhigend. Wie soll sicher gestellt werden, dass wir vor der Polizei geschützt sind, wenn sie in unsere Räume eingeladen wird? Wie sollen wir offen Kritik äußern, wenn die Polizei vor uns steht? Es kann keine echte Diskussion aufkommen, wenn die Position der „Unterdrücker“ eingeladen wird.
Nur mal ein aktuelles Beispiel. Die Bundesbeamtin Claudia Pechstein hat am Sonntag (18.06.23) in ihrer Rede sowohl die rassistische Bezeichnung für Sinti*zze und Rom*nja genutzt, als auch generell gegen BIPoC Menschen gehetzt. Zu guter letzt fordert sie zum Wohle der Kinder „traditionelle Familien“, Familien die aus Mutter, Vater, Kind bestehen. Und ihr sprecht allen ernstes davon, dass es von Seiten der Polizei nur in der Vergangenheit zu Kriminalisierung gekommen ist?
Wenn man außenvor lassen würde, dass die Polizei für queere weiße Menschen bereits eine Gefahr darstellt, dann sind wir schockiert über euer unsolidarisches Verhalten der BIPoC Community gegenüber.
Hanau ist drei Jahre her. Schon davor gab es massig Kritik an dem rassistischen Verhalten der Polizei. Auch nach Hanau bleibt die Polizei mit racial profiling, dem Mord an Mohammed D., Nazi-Chatgruppen, Kontaktein die ReichsbürgerSzene, der Zusammenarbeit mit Frontex an Europas militarisierten Grenzen,… in den Schlagzeilen. Geschweige denn von ihrer aktiven Mitarbeit an Abschiebungen und Inhaftierungen Asylsuchender Personen. Die Polizei hat ein riesiges, strukturelles Rassismusproblem. Für BIPoC der LGBTQIA+ Community stellt die Polizei eine doppelte Gefahr da. 
Auch für andere marginalisierte Gruppen war und ist der Kontakt mit der Polizei nicht sicherFür Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen stellt die Polizei eine Bedrohung dar. Arme Menschen, wohnungslose, suchtkranke, und geflüchtete Menschen werden von der Polizei kriminalisiert. Was erwartet ihr, wie viele Menschen, die Mehrfachkriminalisierung erfahren, fühlen sich bei eurer Veranstaltung sicher?Vuvuzela
Es findet ein Pinkwashing der Polizei statt. Sie verhält sich das ganze Jahr gegenüber unserer und anderen marginalisierten Communities gewaltvoll, und schwenkt dann im Juni mal kurz eine Regenbogenfahne. Und ihr bietet ihnen dafür die Bühne. So funktioniert queere Befreiung nicht.
Eure Veranstaltung schließt unfassbar viele Menschen aus und ist überhaupt nicht auf Intersektionalität aus. Über unsere Sicherheit zu reden und uns Möglichkeiten aufzuzeigen, wie wir ggf. Anzeigen stellen können, ist wichtig, aber eine solche Veranstaltung kann man auch machen, ohne direkt die Polizei einzuladen.
Wir forden euch auf, die Veranstaltung abzusagen. Wir fordern euch auf, einen tatsächlichen Raum für Diskussionen und Kritik zu schaffen. Wir fordern euch auf, euch mit der Geschichte der Polizei zu befassen und Zusammenhänge mit unserer Lebensrealität herzustellen.
Mit solidarischen Grüßen