Zum Pride Month 2023
Stonewall was a Riot. Dieser Satz ist im Pride Month oder im Zusammenhang mit dem CSD immer wieder zu lesen. Am 28. Juni 1969 wurde die queere Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street in New York von der Polizei gestürmt. Queer sein war damals illegal – im Geheimen betriebene Bars wie das Stonewall Inn hatten keine Schanklizenzen und wurden unter diesem Vorwand häufig Ziel von solchen Razzien. Weil die Polizei dieses mal besonders gewalttätig vorging, entstand ein tagelanger Aufstand.
Die Unsicherheit des kalten Krieges und anderer Krisen wurde damals als Nährboden u.a. für queerfeindliche Propaganda und Gesetzgebung genutzt. Doch die ersehnte gute alte Zeit kam nicht zurück. Die Veränderung war nicht aufzuhalten. Die jahrelange Protestbewegung für Frauen- und Queerrechte konnte letztlich zur Verbesserung der Gesetzeslage beitragen. Der Christopher Street Day wird seitdem jährlich gefeiert, eigentlich in Gedenken an den damaligen Aufstand gegen Unterdrückung und Polizeigewalt.
Allerdings hat sich mittlerweile vieles verändert. Teile der queeren Community – wenn auch nur die privilegiertesten – genießen mittlerweile quasi gleiche Rechte. Wohlstand und Marktwirtschaft sind in vielen Ländern immer weiter gewachsen. Und dieses System wandelt immer wieder ehemals revolutionäre Themen in oberflächliche, (ver-)kaufbare Produkte für die Mehrheitsgesellschaft um. Rockmusik, Feminismus, Umweltschutz, Veganismus – die Liste ist lang. Auch der Christopher Street Day wurde dabei immer mehr zur Party ohne politischen Anspruch.
Natürlich haben es queere Menschen verdient, sich einfach nur so selbst zu feiern. Wie schön wäre eine Welt, in der das möglich ist? In der eine Pride im Sinne einer Demo eigentlich nicht mehr nötig wäre, weil wir wirklich frei und sicher wären. In der keine queere Person im Alltag Angst empfinden müsste, und sich immer und überall so zeigen könnte, wie sie will. Vielleicht müsste dann keine politische Demo mehr stattfinden, und auf einer Pride könnten alle einfach nur Spaß haben und über nichts weiter nachdenken.
Leider leben wir aber nicht in so einer Welt. Wir leben in einer Welt, in der nichts mehr zu funktionieren scheint. Das Konzept von einfach immer mehr Wohlstand und Wachstum funktioniert nicht. Regierungen geraten immer mehr in Bedrängnis beim ständigen Ausgleichen von Krisen – Wirtschaftskrise, Armut, Klimakrise, Pandemie, Krieg. Rechte Parteien versprechen auch nun wieder eine Lösung all dessen durch weniger Vorschriften, mehr Militär, Rückkehr zu traditionellen Werten – früher hat es doch auch funktioniert.
Die erneute Unterdrückung von Queers ist wichtiger Bestandteil dieser Agenda. Ständig werden die gleichen Argumente wiederholt und kopiert: Entmündigung durch die Darstellung von Queerness als psychische Krankheit, moralische Ablehnung aus angeblich religiösen Gründen, Kriminalisierung durch Gleichsetzung mit Kindesmissbrauch. Auch die voll ausgewachsene Verschwörungstheorie über eine geheime Weltherrschaft darf natürlich nicht fehlen.
Und wo ist nun die riesige Wirtschaftsmacht und der politische Einfluss, den all die Unternehmen ausüben könnten, die sich im Juni mit irgendwelchen Regenbogendesigns in Logos und Webauftritten schmücken? Nirgends. Denn diese LGBTQIA-freundliche Positionierung dient natürlich nur den Verkaufszahlen. Wenn man queeren Menschen etwas verkaufen kann, ist das gut. Wenn queere Menschen wieder von der Bildfläche verschwinden, dann ist das egal. Dann wird eben wieder an jemand anderen vermarktet.
Wir dürfen uns durch Regenbogen-Werbung und kleine Reformen nicht ruhigstellen lassen. Jede Errungenschaft für queere Menschenrechte ist gut und wichtig – aber eben immer noch eine Errungenschaft. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns nichts davon je gegeben wurde, wenn nicht dafür gekämpft wurde. Und es muss immer noch gekämpft werden. Damit trans*, nichtbinäre und agender Personen ohne Schikane und Demütigung anerkannt werden. Damit Sorgerecht, Elternschaft und Adoption für queere Paare gerecht geregelt werden. Damit mehrfach diskriminierte Queers hier und anderswo endlich ihre Rechte bekommen.
Stonewall was a Riot – We will not be quiet!