Redebeitrag vom 31.5.
Liebe Zuhörer*innen und liebe Genoss*innen,
heute wurde am Oberlandesgericht Dresden das Urteil im sogenannten Antifa Ost Verfahren gesprochen. Dabei wurden 4 Antifaschist*innen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, da sie mutmaßlich eine kriminelle Vereinigung gegründet und Neonazis angegriffen haben sollen.
Die Hintergründe dieses Gerichtsverfahrens sollen hier noch einmal kurz zusammengefasst werden:
Im Jahr 2020 kam es zu mehreren körperlichen Angriffen auf Neonazis unter anderem in Eisenach. Auf der Suche nach Ermittlungserfolg klemmte sich die gerade erst im Jahr davor neu gegründete SoKo Linx hinter die Angelegenheit, und machte sich schnell ein umfassendes und dabei sehr ausgeschmücktes Bild von den vermeintlichen Zusammenhängen. Diese Sonderkommission, die die sächsische CDU bewusst zur Befriedigung der rechten Wählerschaft ins Leben gerufen hatte, hat die alleinige Aufgabe, gegen die angeblich immer größere Gefahr durch Linksextremismus in Sachsen vorzugehen.
So wurde Lina E., eine antifaschistische Aktivistin aus Leipzig, zusammen mit einigen anderen Personen, zum Hauptziel der Ermittlungen auserkoren. Ein versuchter Ladendiebstahl im Vorfeld wurde kurzerhand als Beschaffung von Tatwaffen ausgelegt, und Lina zum Kopf einer angeblich seit Jahren in Planung befindlichen Angriffstruppe ernannt. Das Verfahren nach §129, „Bildung einer kriminellen Vereinigung“, dient dabei als Steilvorlage für wilde Vermutungen und umfassende Überwachungsmaßnahmen.
Seit über zweieinhalb Jahren sitzt die Studentin Lina dafür jetzt schon in Untersuchungshaft und wird dabei mit allen Mitteln als brandgefährliche Terroristin inszeniert, inklusive Hand- und Fußfesseln im Gerichtssaal, Sondertransport nach Karlsruhe im Polizeihubschrauber und regelmäßiger Fütterung der Presse mit reißerischen Inhalten direkt aus erster Hand der SoKo.
Die mutmaßlichen Opfer der Angriffe wurden im Gegensatz dazu häufig in den Medien nur schwammig als „dem rechten Milieu nahestehend“ bezeichnet. Dabei handelt es sich bei allen von ihnen um langjährig bekannte, fest vernetzte und ihrerseits extrem gewaltbereite Neonazis, Mitglieder von rechten Kampfsportvereinen oder auch Mitglieder in spe der sogenannten Atomwaffendivision, einer faschistischen Terrortruppe aus den USA. Die Devise ist offensichtlich: Rechte Terrornetzwerke als lose Bekannte darstellen – wenn mal was passiert sind es eben Einzelfälle – und links wird sich dafür eine kriminelle Vereinigung ausgedacht, für die es gar keine Beweise gibt.
Doch der Staat und seine Organe haben hier eben eine etwas andere Vorstellung von Bedrohungslagen. Die Unterdrückung von selbstorganisierten Antifaschist*innen hat in Deutschland schon lange Tradition, und die Entnazifizierung hat nie richtig stattgefunden. Nach 1945 haben sich viele Altnazis dann eben doch als ganz brauchbare Verbündete im anstehenden Kampf gegen den Ostblock erwiesen, sodass in Westdeutschland und den USA mehr als nur ein paar Augen zugedrückt wurden.
Und in der DDR, wo Antifaschismus zwar von Staatsseite offiziell großgeschrieben wurde, konnte das Wiedererstarken der rechten Untergrundszene genauso nicht verhindert werden. Die Folge sind uns allen bekannt: Die Anschläge in Solingen und Mölln in den 90ern sind nur ein paar der bekanntesten Beispiele, die direkt nach der Wiedervereinigung für Aufsehen sorgten.
Und heute ist das Problem leider nicht weniger aktuell: Rechte Umsturzversuche wie der Sturm auf den Reichstag oder die Staatsgründungspläne der Reichsbürger werden in viel zu späten Planungsstadien erst „entdeckt“, rechte Terroranschläge nicht verhindert: man denke an Halle, Hanau, Henstedt-Ulzburg… Die AfD wird aktuell als drittstärkste Kraft im Bundestag prognostiziert, die CSU liebäugelt immer öffentlicher mit Rechtsaußen-Positionen frisch aus den USA und Verbindungen von Verfassungsschutz und Polizei zur rechten Szene werden seit Jahren immer wieder aufgedeckt. Währenddessen werden angebliche Ermittlungsmethoden und die Paragraphen 129 und 129a fleißig zweckentfremdet. Gerade erst gestern wurde die Wohnung eines Genossen in Stuttgart gestürmt, weil er als Moderator auf der versuchten Revolutionären 1. Mai-Demo fungiert hatte. Und selbst Gruppierungen wie die Letzte Generation, deren Forderungen alles andere als linksextrem sind, kriegen inzwischen die volle Breitseite der staatlichen Einschüchterungsmethoden zu spüren.
Wir müssen uns klar machen, dass es genau darum geht: Hausdurchsuchungen, Bespitzelung, Untersuchungshaft und co: Progressiven Bewegungen und Gruppen soll damit Angst gemacht werden, ihre Handlungsfähigkeit schnell eingeschränkt werden und alle Anderen sollen bloß gar nicht erst mit Aktionsformen jenseits der Parlamente anfangen. Ob die Maßnahmen dann ewig später als rechtswidrig eingestuft werden, ist dabei ja erst mal nebensächlich.
Wir müssen aber aktiv bleiben, und mehr müssen aktiv werden! Nur so können rechter Terror, die Klimakrise und all die anderen Probleme, die wir Patriarchat und Kapitalismus verdanken, wirklich bekämpft werden!